Geschichtliches noch über die Centen

(Nachträglich zu Heft I. S. 36-39.)

Nach Aufhebung der Gauverfassung, d. h. als die bisherigen Kaiserlichen Gaugrafen zu Eigentümern ihrer Jurisdiktionsbezirke geworden waren, setzte der Landesherr über jeden Centbezirk einen „Vogt (advokatus) oder Amtmann“, der denselben nach seinem besten Wissen vollständig zu regieren hatte und anfangs ausnahmslos dem Adel angehörte. (Der Voigt von Kaltensundheim bewohnte höchst wahrscheinlich ein Schloß auf der Altmark.“) Zur „Vogteyburg“ für die südliche Hälfte dieser alten Cent blieb die Lichtenburg bei Ostheim v. d. Rhön.

I. Cent Kaltensundheim.

Die Dörfer Kaltensundheim, Mittelsdorf, Schafhausen, Gerthausen, Wohlmuthausen und Weimarschmiedenhofe. Die nördliche Hälfte bestand aus den Dörfern Kaltennordheim, Kaltewestheim, Reichenhausen und Erbenhausen, Ober- und Unterweid wie auch Lichtenau östl. von dem Engelsberge, (seit dem 15. Jahrhundert schon Wüstung); und für diese Gerichtsorte wurde eine neue Vogteiburg in Kaltennordheim erbaut. Kaltensundheim war und blieb Hauptort des Hintergerichts Lichtenberg. (n. Binder.)

Wenige Jahre nach Verkauf der Herrschaft Lichtenberg mit Hildenberg an Würzburg (1230) ist Lichtenberg schon und somit die halbe Cent Kaltensundheim im Besitze der Abtei Fulda, welche um die seit 816 ihr gehörigen Orte Sondheim, Urspringen und Stetten als Vordergericht mit jener halben Cent als Hintergericht vereinigte, ohne daß deshalb die Würzburger Cent der Herrschaft Hildenberg aus dem fuldaischen Sondheim verlegt worden wäre. Dies geschah 1335; und Lichtenberg (Amt) blieb auch bis 1366 in fuldaischem Besitz. (n. Binder).

Seit 1220 gehörte auch Helmershausen der Abtei Fulda und wurde nun erst 1601 zu Kaltensundheim geschlagen, indeß 1332 schon Abt Heinrich die zur Cent Kaltensundheim gehörigen Orte für 100 Mark Silber an Berthold VII. von Henneberg abtrat. Die nördl. oder Kaltennordheimer Hälfte der Cent Kaltensundheim hat seit Berthold, dem ersten Fürsten von Henneberg ihre feststehende Geschichte. Als 1583 dasHaus Henneberg ausstarb blieb die Lichtenberger Hälfte der Cent Kaltensundheim sächsisch, indeß die Vogtei Kaltennordheim mit andern der gemeinschaftlich-hennebergischen Regierung unterstellt wurde; 1601 wurde der vielhundertjährige Gerichtsverband beider Hälften aufgelöst und in Kaltennordheim eine eigene Cent errichtet; 60 Jahre später, bei definitiver Teilung der hennebergischen Erbländer, wurden beide Teile unter einer Hand vereinigt und sind es bis auf den heutigen Tag (1887 n. Binder) verblieben.[1]

Die „Hegung“, d. h. die feierliche Anerkennung der Centbesitzer als Gerichtsherren, hatte z. B. im Jahre 1359 der Edelmann Petze von Schafhausen das Kaltensundheimer Centgrafenamt zu Lehen besessen. – Als Burgmänner von Lichtenberg kommen urkundlich vor: 1256 Wolframus piucerna et Henricus miles de Westheim; 1325 Johannes dictus de Ostheim; 1327 Gyso von Steinau … (vergl. Heft III S. 25). – 1334 verkauft Abt Heinrich Schloß und Gericht Lichtenberg für 800 Pfd. Heller unter Vorbehalt des Wiederkaufs an Helwig von Waltershausen, Ritter, und Gyso von Steinau, Knecht, und setzt sie als Amtleute ein … 1428 sind Siegfried v. Stein, Ritter, Lorenz und Hans von Stein „gesessen zu Lichtenberg und Ostheim …

1580-99 war ein Veit von Heldritt, dann bis 1608 ein Nik. Hammerschmidt ans Kreuzburg Amtmann; dieser, nur bürgerlich, hatte den Titel „Amtschösser“ etc.

In den Jahren 1634-37 ist Herr Tobias Weinreich Centgraff in Kaltensundheim gewesen. – 1427 verleihet Graf Wilhelm von Henneberg ,,seinem Getreuen Heinrich Pfaffen« das Zentgrafenamt zu Kaltensundheim und den „von Schafhausen Hof“ zu Kaltennordheim.

1803, nachdem durch Reichsdeputationshauptschluß v. 25. Feb. d. J. der Bischof von Würzburg auch als Herzog von Franken seiner weltl. Herrschaft verlustig geworden, wurde am 24. Mai 1803 die letzte Centsitzung in Mellrichstadtgehalten. – Die Cent Fladungen war 1335 an Stelle der alten Cent Sondheim vor der Rhön getreten; der Amtmann wohnte auf der Hildenburg. (Binder).

 

II. Die Cent Kaltennordheim.

Als Vorzug gegen Kaltensundheim bekam die Cent Kaltennordheim das Strafrecht: „Alles gestohlene Gut sowohl als die Verbrecher selbst in den Thurm zu Kaltennordheim sich»einliefern zulassen.“ (Schultes); – Wohl auch confiszierte d. h. polizeilich eingezogene Gegenstände. So oft ein zum Tode Verurteilter im Turm zu Kaltennordheim lag, was damals sehr häufig vorkam, wurde dann ein sogenannter „Halsgerichtstag« angesetzt. (n. Binder). 1754 noch, »den 3. April wurde ein Hochgericht aufgerichtet und am 5. April wurden 3 verurtheilte Diebe gehängt.“ Es war ein gezimmerter Galgen, und Alles geschah in vorgeschriebener Ordnung und Feierlichkeit. –

Das Kaltennordheimer Centgrafenamt war 1420-1483 in dem Besitz der Familie Pfaff, bis 1503 in der Familie Rauw, seitdem in der Familie Bauss; 1570 war Franz Molter zu Bettenhausen, 1600 Wolf Baumbach u. a. m. Centgraf daselbst.

 

III. Cent Friedelshausen.

Aus Heim’s Chronik erfahren wir: „Das Gericht Frittelshausen hat in denen mittlern Zeiten Albrecht von Jochsberg besessen, und nach seinem Nimmersein ist es an das Stift Wüzburg gekommen; vermutlich hat er es, weil er keine Erben hatte, dahin vermacht. Ein schlechter Edeln war dieser Jochsberg nicht, auch keiner vom niedern Adel: dann dieserley Art Edelleute besassen zu der Zeit noch keine Dörfer, hatten auch keinen Blut-Bann“, (das soll heißen: hatten keine Berechtigung zu einer Hinrichtung; der vom Kaiser damit belehnte Voigt oder Advokatus hatte sie[2]). „Zum alten Gericht Frittelshausen gehörten im alten Amte Sand: Frittelshausen, Hümpfershausen, Oepfershausen, Bettenhausen, Schwartzbach, und Wahns. Es sind aber in den spätern Zeiten die Orte Aschenhausen, Ober- und Unterkatza, Kaltenlengsfeld, Roßdorf (aus dem Amte Kaltennordheim), Rosa und Eccards (aus dem Amt Frankenberg) dazu geschlagen worden. . . . Der im Römischen Reich und bei dessen Kaisern gar hoch angesehene Graf Berthold X. von Henneberg (1310. d. 25. Juli in den Fürstenstand erhoben), machte Ansprüche auf Gericht Frittelshausen und suchte sein Recht bei Bischof Mangolt in Würtzburg. Er hatte 1265 d. Bischof Iring gegen die Würtzb. Bürger mit 30 reißigen „Glewen“ (Reitern) beigestanden und von Iring dafür 240 Mk. Silbers versprochen bekommen, und nun erhielt er für seine Forderung Gericht Frittelshausen als Lehn. Später wurde denen von Auerochs das Erb-Cent-Grafen-Amt aufgetragen. Besondere Beamte von u. über Frittelshausen waren: Hanß Linck, Hanß Spessart (1515), Michel Streitlein (1519), Gottschalk von Stein (1523); (über diesen wird sonderlich geklaget, unter anderm: daß er den Edelleuten im Amt Sand ihre Rechte geschmälert habe), dann Hanß Beck (1535), Philipp Schenk von Schweinsburg (1562) auch geistlicher Visitator, Rath und vorher Amtmann zu Kaltennordheim und Sand. Martin von der Linden (war auch zugleich Forstmeister). Gleichwohl behielt die Cent Frittelshaufen ihre ordentl. Centgrafen, doch haben dieses Amt manchmal Dorfs-Schultheißen, auch Schulmeister dabei verwaltet. Es gab: 1. Centpflichtige: das sind alle Diejenigen, die in Herrschafts-Häusern und Lehen wohnen, und deren jedweder auf Michaelis ein Huhn, so man Centhühner nennt, liefern müssen, und wurden Centbücher darüber geführt. 2. Centverwandte oder Freyen: Dieses aber sind nur derer von Adel Lehnleute, die Untersassen genannt werden. . . . Dergleichen Freyen sitzen und befanden sich z. B. in Roßdorf, Oepfershausen, Hümpfershaufen (des Klosters Sundershausen Lehnleute), Unterkatza, Aschenhausen. Betreffs Roßdorf schreibt Heim: „Es sind aber sowohl die Adeligen Häuser als das Dorf der Cent „Rügbar“ (unterstellt). Und wo in beyden einmal CentfälIe entstehen, müssen die Adelichen die Verbrecher sowohl als deren entleibten Körper auf den Centplatz an der Eccarder Grenze, oder nach Frittelshausen auf den Centplatz liefern, alle Unkosten bezahlen, und in allen Fällen vor dem Centgericht erscheinen.

 

IV. Von der Cent Tann (Thann a./Rhön),

die jedenfalls von großem Umfang und ansehnlicher sonstiger Bedeutung gewesen, können wir aus den uns vorliegenden Chroniken nur Folgendes angeben:

Weinrich, der ziemlich eingehend sich über Thann ausspricht, giebt (Seite 519-520) an: „Amtleute in der Thann, die constituiret wurden, als in nachfolgender Zeit die Herren von der Thanne die Hohen Gerichte von Fulda wieder einlöseten und in guten Stand bringen wollten:

  1. Johann Burchhard Reineck,: 1664-1693.
  2. Johann Nikolaus Melchior von Schweinfurt † 1703.
  3. Johann Martin Riess, von Giesen, 1707 vocirt (berufen).

Dabey sind wiederum Zent-Grafen ernennet, welche des sogenannten Baues- oder des Thannischen Legati Einkunft berechnen und an denen Amts-Tägen Beysitzer abgeben; Von solchen sind die letzten Johann Friedrich Schambach und Herr Schall zu nennen.“ – „Den Statum civilem (die bürgerliche Ordnung) in der Thann belangend, so ist hiebevor das gemeine Wesen und die Justice immediate (unmittelbare Gerichtshaltung) von denen Herrn Gan-Erben selbst unter dem Prädikat eines „Baumeisters“ administriret (verwaltet) worden. Als Zent-Grafen an der Seiten standen: Gregorius Groß-Kopff, 1585; Johann Groß-Kopf 1587; Johann Scheidemantel 1596; Jeremias Hauck 1615; Johann Reinhard Schupp, 1650; Jeremias Thomä (u. Procurator), Jeremias Seyfert; anno 1659 hieß der Adeliche Gan-Erben Collektor.“

 

Nachdem wir von S. 79 dieses Heftes bis S. 84 [also das in diesem Beitrag bisher gesagte] das Wichtigste über die im Tullifeld bestandenen 4 großen Centen betreffs ihrer örtlichen Abgrenzungen und ihrer Geschichte nachgetragen haben, sei noch bemerkt, daß zeitweilig auch ein Centgericht in Fladungen mit Nordheim v. d. Rh. bestand, da das alte größere in Sondheim v. d. Rh. (im Baringau) für 3400 Mark Silber an Stift Würzburg übergegangen war, und zwar unter Zugehörigkeit des Gerichts Mellrichstadt. (1220). – (vergl. S. 80.) (1555 kam Amt Lichtenberg an das Herzogtum Sachsen). Die Cent Dermbach war auch nur interimistisch an Stelle des Gerichts Fischberg. Von einer Cent Geisa hat man keine zuverlässigen Angaben.

 

Nun noch Auszüge aus den S. 71 dieses Heftes beregten Cent‘-Petrigerichten. Es sind das die eigentlichen Untergerichte mit den sogenannten Dorfs– oder Gemeinde-Ordnungen. Aus F. G. Benkert’s „Nordheim v. d. Rh.“ Abschrift der „Reformation“ zu Fladungen, aus der alten zur Zeit Cuntzen von der Tann, Amtmanns. Anna 1538 aufgeschrieben. z. B. ,,Item, Man theilt auch zu recht, wenn der Voigt „oder Zentgraff das Gericht“ bestimmt: da sollen die Schöpffen aufmerken, und wenn der Gerichtstag kombt, so soll ein jeglicher Schöpff des Abends zu seinem Schultheißen gehen und zu ihm sagen, daß das Gericht Morgen seyn soll etc. etc. . Auch soll der Schöpff das Gericht suchen und sich nicht daran verhindern lassen, und ob es sich begebe, daß ein Waßer vor ihm were, da er nicht gedrauet beyhin oder darüber zu kommen, soll ers doch mit fleiß versuchen, und zum 3. mal wieder versuchen bis Ihm das Waßer in das Maul gehet; – so mag er umbkehren und sein Leben fristen! – – Item, Man theilt auch zu recht, daß Voigt und Zentgraff haben zu besehen Mühlen und Webern ihre ,,Ehle (Elle) und Gezan« (Zahl, Gebind?), ,,Weinmaß u. alle Gewicht etc. etc.« – Aus der Reformation der Gerechtigkeit Unsers Gnädigen Fürsten und Herren zu Würzburg, allhier von Anna 1427. Erstlich theilen und sprechen Wir zu recht, uns. Gn. F. u. Hrn. von Würzburg alle gehörlich geboth, den Kirchhof zu besetzen, und zu entsetzen, und wenn Er herfahrt, will herberich[3] auf allen guten[4], ausgenommen die beyden ob pfarrhoff und den Junkern von der Thannhoff vor dem „baarenthor“ (Baraflüßchen).

In dem Kaltsundheimer Gemeindearchiv findet sich folgende Copia eines Aktenstückes aus 1468, es lautet im Auszug:

(Vom Freitag nach Sankt Lorentz Tag) ,,Kaltensondheimer „Reformation“ beginnt: Wir Schultheiß, Heimbürgen und die Zwölfer, auch die Gemeinde des Dorfes Kaltensondheim bekennen u. thun kundet gegen jedermann etc. etc. mit diesem offenen Briefe, daß Wir Jährlich alle Sankt Petersgericht zu Kaltensondheim, so ein Herrschaftsrichter daß besetzt, zu recht theilen: 1) wer den großen Thurm zu Lichtenberg inne hat etc. etc., ein Dorfgericht zu setzen alle 14 Tage vor oder nach Sanct Peterstag Cathetra etc. Wir theilen denselben 2) auch alle Thor und Schloß offen u. auf allen Gütern im Dorf Herberge und Lager etc., und will er eine Heerfahrt halten, so soll er mitbringen Wein und Brot etc. Wir theilen Lehn des Dorfs etc. und doch unser fürstlicher Landesherr der oberste Herr ist etc. Wir theilen Holz, und den Nachbarn im Dorf „Wonne und Weith“, Wasser und Weg, alß weit der ,,Margk« (die Flur) ist etc. Wir theilen, wer um Erblich »Gut oder um Anfäll« klagen will, der soll es an einem Dorfgericht thun, und soll er 5 Schilling[5] in das Gericht legen etc. „Wir theilen auch, daß Junker Barthelmes von Bibra drei Eymer Bahn-Wein zu schenken gehabt auf 4 Güther und 3 Hofstätten am Christsonnabend“. Wir theilen auch, wer Erblich Guth will verkaufen, der soll das den Erben nemlich den Nächsten anbiethen etc. Daß haben gesprochen unsere Vorfahren besonders auf die ,,Aaid,« die Eide, den Schwur, die sie damals dem Hochgebohrenen Herrn, Herrn Friedrich und Herrn Otten, Grafen u. Herren zu Henneberg, unserm gnädigsten Herrn gethan, und thuen auf solches noch die Pflicht, etc. und damals des zu Urkundt mit Fleiß gebethen den Ehrbaren und Besten Junker Paul Norben, Vogt zu Fladungen, daß er sein Insiegel auf diesen Brief gedruckt hat.“ –

Die 1576 durch den Edel- und Freiherrn Martin von der Tann (s. Heft III. S. 7) verfaßte und obergerichtlich sanktionierte „Dorfs- u. Flur-Ordnung“ der Gemeinde Schafhausen, welche zur südlichen Hälfte der Cent Lichtenberg-Kaltensundheim gehörte – sei nur auszugsweise hier bekannt gegeben: Satz 1., Kirchgang betr. „Zum ersten ordnen, setzen und wollen wir gantz ernstlich gebiethen, daß ihr alle und ein jeder insonderheit sich dahin fleißig gewöhnen, gutwilligtich zu besuchen jede Predigt, wenn dieselben mit Glocken verkündigt werden. – Satz 2., Gotteslästerung betr. „Daß hinführo sich männiglich Mann u. Weib, Kinder, Knecht und Mägd, Einwohner und Gäste des Gotteslästerlichen Schwörens und Fluchens allerdings gantz und gar enthalte;“ die Gottes heil. Nahmen lästern, sollen, wenn es zu gar muthwillig übermacht wird, bey einer poen (Strafe) von 3 Rthlr. Geld oder 4 Wochen mit Waßer u. Brodt in Gefängnis gestrafft werden.« – Satz 3., Frembde Gäste betr. „Daß nun hinführo keiner zum Nachbar oder Inwohner in das Gebiet unserer Obrigkeit eingenommen werden soll, er habe denn zuvor es der Obrigkeit angezeigt und Erbhuldigung gethan; anders soll gebothen seyn, inwendig 8 Tagen mit allem Plunder und Gesinde aus- und abzuziehen bey Straff des Gefängniß.« – Satz 4., Bahn- und Kirchen-Wein betr. – Zur Zeit gewöhnlicher „Kirben“[6] sollen um 3 hora. (3 Uhr) auf den Abend angehen und am 3. Tag zu Nacht enden; bei 3 Rthl. unnachläßiger Straff.« –

8., Scheltwort und Nachrede, weil Ausschändung und Nachrede zwischen den Menschen allerley Unwill- und Weitläuftigkeit, arge Feindseeligkeit und Trennung guter Einigkeiten zerstört, kann bis zu 5 Pfund an das Gericht und 10 Rchth. an die Ortsobrigkeit gestrafft werden. 9., Zechsünde. „Kein Inwohner zu Schafhaußen und wer in solchen Gerichtszwang wohnet, Bauer oder Bürger, Schäfer oder Knecht soll in dem Wirthshaus oder andern Häußern länger zechweiß mitsitzen, denn bis im Sommer hora 9 und im Winter 8 schlägt; würde aber jemand solches übertreten, soll zum andernmahl Wirth u. Gast jeder um einen halben Gulden, zum drittenmal betreten, soll Gastwirt oder Hausvater mit Gefängniß gestrafft und gezüchtigt werden, … doch seyen Fremde, Wanderschaffte Personen hiermit nicht gemeint. 10., Beschädigung oder Angriff. „Wo eins dem andern in Hauß, Hoff, Weg, in Gärten, Feldern oder Weingarten zu Schaden handelt, . . . welcher auch überackert, übermähet, überhütet und dergl. verkürzt, soll von einer jeden Ellen lang und breit der Obrigkeit zu Straff ein Pfund Geldes und dem Beschädigten solches samt seinen Kosten wieder einräumen“. 11., „So einer einen andern mit Steinen wirfft und trifft ihn, macht ihn aber nicht blutrüstig, soll er es mit ½ Gulden, macht der Wurff ihn aber Blutrüstig, mit 10 Gulden verbüßen.“ 13., wird ,,vor Jüden, – mit ihnen zu kaufen – und vor Landsknecht und Bettlern , – sie zu beherbergen« – bey Straff von 10 Gld. gewarnt.[7] 14., – wird des Waidwerks (Jagens) bei 10 Gld. unnachläßig jeder Unterthan bestrafft. 15., Item soll auch niehmals, der sey wer er wolle, Ein- oder Ausgang über den Gemeinen Dorffszaun (Dorffsfried) haben oder brechen.“ Straffe 5 Pfd. Geldtes.)“ Nach 24., „Wie viel Gerichte zu halten sind« . . . folgt eine besondere »Gemein-Warnung«, dann eine strenge Verwarnung vor „Mayneid“ (falschem Eid). Das ganze schließt mit der Bitte: „der heil. Gott wolle uns in Ewigkeit behüten und bewahren!“ Amen!“ . . .

Diese Gemeinde-Ordnung ist von Schultheiß Heinr. Hoffmann in Abschrift genommen u. diese von den 4 Dorffsvorstehern M. Thomas, Hanß Bach, Hanß Hoffmann u. Martin Bittorf beglaubigt worden.

Vor der eigenen Dorf-Ordnung ist angegeben, wie bei einem Rüge- oder CentPetri-Gericht zur „Tageszeit der Mahl“ der Schultheiß oder Richter die Eingangs- und besondern Verhandlungsfragen, und der Umstand“ und Kläger die Antwort zu geben hat. Nachdem folgen 35erlei Fragen u. Antwort, (besonders die Feld- und Weide- oder Huthordnung betffd), dann ein „Verzeichniß, wie es sich mit dem „Anschneiden“ verhalten soll«. ;Auch ist unterm 5. Okt. 1596 durch „Canzler- u. Räthe des Herzogs Casimir zu Sachsen ein Vergleich: die Schäferey und Gemeinde-Schenkstätt zu Schaafhaußen betreffend abschftl.· beigefügt. Ueber den Verlauf des CentPetri-Mahls besagt das „Weistum“, (I. S. 38.) Bis vor wenig Jahrzehnten noch wurden im „Tullifeldschen“ zu Petri alle ländlichen Dienstboten gedungen, Pfarr- u. a. Güterverpachtungen abgeschlossen, Hirten- und Wächterwahlen u. v. a. vorgenommen, die Holzauktionen u. Güterverkäufe begonnen.

Auszug aus dem Diedorffer-Gemeindbuch[8], welches 1699 für „8 Patzen“ angeschafft wurde, z. Z. da Hanß Herbst Schultz; Hanß Heinrich Gattung, DorffsVorsteher, und Hanß Limpert Steitz, Adam Seyfart, Georg Seyfart, Christoph Flock – „Vierer“ in der Gemeinde waren.

Darin kommen zu Petri-Mahl vor: 1., Dorffs-Gemeinds-Urtheil, (Ordnung). – 2., Niederschrift über Anstellung von Nachtwächtern, Hirten und Schäfern. 3., Schulmeisterbesoldungsvergleich, (1734). 4., Verpachtungen, 5., Feldordnung, 6., Vertrag zw. Graf Wilh. (,,Grauen. Herren v. IIennenBergk«) u. den Unterthanen des AmtsFischberg, wegen Ablösung von Dienstfrohnen; 7., Stiftung für die Schule – 100 fl. von Witwe Limpert -, – (schöngeschrieben) u. a. m. Ausgefertigt durch Adolf Wilhelm Lohmann, Centgraf; bestätigt durch Sign. Kaltennordh. d. 21. Dzb. 1758. durch Fürstl, Sächs. Amt daselbst: J. A. Poley, (L. S.) – Daraus sei entnommen:

„1., Frage: Welcher soll den Andern „befrieden?“

Antw.: Es ist zu recht erkannt, daß der unterste den obern befrieden soll, damit er unsträflich sei!

„3., Fr: Wie soll einer einen Bau setzen, damit er unsträfflich sey?

A: Er soll den Bau so setzen, daß die Tachtraffe auf sich falle, einem Andern ohne Schaden.

„7., Fr: Wie soll sich einer Verhalten, Wenn er auß einem Flißenden Waßer Wäßern Will?

A: Der soll es thun, mit deß Vorwißern, über Welchen er wäßern will. Will er es ihm nicht Vergönnen, so soll er mit dem Pflug auff die Wiesen Fahren und eine Furcht thun.

„9., Fr: Wie soll sich der Verhalten, so schrotfurchten auf seinen Acker machen will?

A: der soll einen Furchtrain auff dem seinen liegen laßen.

18., Wenn ein Nachbar einen gemachten Baum hat, und hänget über auff einem Andern, so soll der, auff Welchen der Baum hänget, mit VorWißen deß Andern daß Obst abbrechen, einen theil davon behalten, und Zweytheil Deine auff Welchem der Baum stehet, geben. – (Strafsätze: „- 5 gr. 3pfg. Soll die Straff sein deß, so gemachtes Opft, Aepfel oder Birn schüttelt, oder drin geworffen hat. – 2 gr. 6 Pfg. Soll die Straff sein deren, so daß gemein Wasser oder Brunnen Verunreinigen. – 3 gr. 6 Pfg. Soll Straff sein deßen, Wenn ihm vom Schultheißen oder Dorffs-Vorsteher ein geboth angelegt Wird, und Wegert sich deß zu thun; Verachtet einer der gebothe Viel, soll er viel „Schreckensberger“ geben; (ehemals sächs. Dreigröschler). -1 gr. Straff, Wenn im Sommer in vorfallenter Hitze Wasser Vor die Thüren zu setzen gebotten worden, und Fahrläßig sind. – und Vieles mehr. In der Petri-Rchg pr. 1729-30 1 Rchthlr. 11 gr. 11 pfg. wurden verausgabt, Wie der Dorfs-Fried[9] ist begangen worden, alß Schultheiß, Vorsteher und Vierer wie auch ingleichen die Aeltesten Männer und sämmtliche Jugend allhier. (Als Ueberbleibsel oder vielmehr fortschrittlicher Uebergang der Cent-Petersgerichts-Periode, eigentlich auch kürzerer und billigerer und doch öffentlicher Gerichtsakt war die bis ins 3. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts im Tullifeld auch beliebte, vielfach geübte) –

„Procedur des Prangers, oder des Halseisen.“

An der Ecksäule des Raths- oder Gemeindehauses oder am Spritzenschuppen, auch wohl am Pfeiler des Dorfthores hatte die Gemeinde durch ihren Rüstschmied (auf Amtsanordnung) möglichst dauerhaft und doch zierlich ein eisernes, nach hinten mit Gelenk und nach vorn mit Haspelschloß eingerichtetes, etwa 4 cm hohes Halsband, „jeder Gurgel passend“ an einem festen Kettchen hängend anbringen lassen[10]. Der erwischte Holz-, Feld-, Obst-, Garten-, Gänse-, Markt- und Taschendieb u. dergl. a. oder Frevler an freien Gegenständen mußte bei hellemTage, zu öffentlich, verkündigter Stunde, „vor allerwelt Augen“ die geraubten Dinge freitragend nach Commando des „Gemeindeknechts“ (Büttels), unter dem Gegröhl der Gassenbuben alle Ortsstraßen passieren und zuletzt auf dem „Prangerstein“ erhöhet, stundenlang kerzengrade stehen, allem Hohn und Spott als Zielscheibe, sich Straf’, Buße und „ewiger Schande“, Einheimischen und Fremden aber zur Warnung!


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat 
– der Vorderrhön –


[1] Die doppelte Besetzung des Amtmanns- und Centgrafensitzes bei Gerichtsverhandlungen gab oft zu Streitigkeiten Veranlassung; in einem solchen Falle verwies 1472 ein Schiedsgericht an das Urtheil der Schöffen über das Herkommen: „do sollen sitzen beder Herren Vogt, des ersten der Vogte von Lichtenberg; darnach der Vogt von Kaltennordheim; darnach der Zentgraff von Lichtenbergk: derselb sal den Stab halten und sal Fräger seyn, darnach der Zentgraff von Kaltennordheim ein Verhörer u. s. w. Mit andern Worten: der Kaltennordheimer hatte in peinlichen Fällen die (geheime) Untersuchung, der Kaltensundheimer die Exekution, wie überhaupt alle öffentlichen Verhandlungen zu leiten.

[2] z. B. auch in Thüringen, im Voigtland, die Vorfahren der späteren Grafen u. Fürsten von Reuß; sie hatten die Angelegenheiten und Rechte des Reichs zu wahren! auch für einzelne Bistümer u. Klöster.

[3] herbergen, übernachten

[4] Gütern, Höfen.

[5] Schilling von schallen, Deutsch 11 Pfennig, engl. 32. Kr., flämisch 3 ggr.

[6] Wohl Kirmsen, Kirchweihe.

[7] Und doch haben die Tullifelder Orte Tann, Nordheim v. d. Rh., Willmars, Weimarschmiede, Wüstensachsen, Geisa, Völkershausen, Gehaus, Stadtlengsfeld, Barchfeld, Walldorf, Aschenhausen u. a. m. (alle ehedem ritterschaftlich mit Patrimonialgericht) seit Jahrhdt. schon Heimatssitz und Handelsrecht gefunden. In KNordheim durfte bis zur 1848er Revolution nur 1 Jude (J. K. von Aschenhausen) eine Schnittwaaren-Niederlage im Wirtshaus „zum Hirsch“ in einer großen Kammer halten; er betrieb tagsüber seine Verkäufe u. a. Geschäfte (wie seine Concurrenten N. R. u. A. Gans v. Lengsfeld) von Haus zu Haus, mußten aber allabends nach ihrem Heim zurückkehren.

[8] am Fuße des Gerichtsschlosses Fischberg a. d. Felda

[9] Dorf-Fried = die Dorf- und Flurgrenzen; (Weichbild des Orts).

[10] z. B. in Fischbach am Eckstock des Gemeinde-Backhauses, in Neidhartshausen an der Verkehrsstraße, an einer Scheune vor der Schule, in Kaltennordheim am ,,Plan« od. Marktplatz, recht sichtbar neben dem Eingang zum Schloßhof am steinernen Thorpfeiler des Gefängniß.


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