Das Land der armen Leute 5

Auf der Rhön kreuzen sich die Überlieferungen uralter Armut mit denen früherer Gewerbsblüte. Die historische Armut haftet dort mehr an einzelnen Tälern und Hochlagen als am ganzen Gebirg.
Schon eine Menge Ortsnamen bezeugen dann als epigrammatische Geschichtsurkunden aus grauer Vorzelt, daß von Anbeginn Armut, Öde und Düsterheit das Grundwesen solcher Striche gewesen sei: Sparbrod, Wüstensachsen, Kaltennordheim, Wildflecken, Schmalenau, Dürrhof, Dürrfeld, Todtemann, Rabenstein, Rabennest, Teufelsberg, Mordgraben usw. Im Geiste der Etymologie des 18. Jahrhunderts leitete man den Namen der Rhön selbst frischweg von „rauh“ ab.
Bei andern deutschen Gebirgen kommt ähnliches vor, aber schwerlich sind irgendwo auf so kleinem Raum so viele schauerlich deutsame Namen zusammengedrängt. Unter den Würzburger Bischöfen findet sich auch ein Mann von der hohen Rhön: Heinrich von der Osterburg. Er soll aber seinen Hofhalt so kümmerlich ausgestattet haben, daß man ihm den Beinamen ,,Käs und Brot“ gegeben. Wenn man heutzutage durch die hohe Rhön wandert und tagelang in den elenden Dorfschenken in der Tat noch immer keine andere Kost als Käse und Brot nebst widerlichem Kartoffelfusel auftreiben kann, dann bleibt einem dieser Bischof fortwährend in lebhaftem Andenken, und man wird versucht, ihn als das echteste Rhöner Kind zum Schutzpatron des ganzen Gebirges zu erklären. Weiterlesen

Das Land der armen Leute 4

Der Kartoffelbau hat aber hier nicht bloß seine Poesie, er hat auch seine herbe Prosa. Wo vorwiegend Kartoffelland ist, da ist auch Branntweinland. Dies bestätigen unsre Basaltberge. In einem Städtchen der Rhön von nur zweitausendzweihundert Einwohnern wurden in einem der letzten Jahre nach Ausweis der städtischen Akzistabelle nahe an vierhundert Eimer Branntwein getrunken. Dagegen ist zum Beispiel in Altbayern, wo Kornland vorwiegt und Kartoffeln verhältnismäßig wenig gebaut werden, das Branntweintrinken auch entsprechend selten geblieben. Im bayrischen Hochgebirge gibt es noch alte Leute, die niemals einen Schnaps getrunken haben; vor einem Menschenalter gab es dort aber auch noch Leute, die nicht wußten, wie eine Kartoffel schmeckt. Weiterlesen

Das Land der armen Leute 3

Die Rhön dagegen hat bessere Tage gesehen als die gegenwärtigen, sie hat eine Geschichte gehabt, welche mehr war als eine bloße Geschichte des Elendes. Für die feudale Zeit war sie kein übles Land, aber unser industrielles Jahrhundert weiß nicht, was es mit solchen abgelegenen, produktenarmen Gebirgen anfangen soll. Nicht bloß die Ungunst den Klimas, auch der ganze eigentümliche Entwicklungsgang unseres Kulturlebens, wenn man will die Weltgeschichte, hat sich wie ein tragisches Schicksal auf diese Berge gelegt. Die Rhön gehört so ganz zu jenen deutschen Gauen, von welchen einer unsrer Dichter sagt, sie seien zu romantisch, um noch glücklich sein zu können, ein Dichter, der selber zu romantisch war, um glücklich sein zu können – Gottfried Rinkel. Weiterlesen

Das Land der armen Leute 2

Die Stetigkeit der Sitte, dazu auch das ökonomische Verwildern und Zurückbleiben der Bauern unsrer Basaltgebirgsgruppe erhält durch die Grenzlage dieser Hofburgen der Armut eine historisch-politische Wurzel. Wenn der Westerwald als ein weit hinausgeschobenes Vorgebirge erscheint, dann trafen neben und in den Bergzügen der Rhön und des Vogelsberges in alten Zeiten die Kreuzungswinkel der verschiedensten Landesgrenzen aufeinander. Auf der Rhön stieß fuldaisches und würzburgisches Gebiet zusammen, dann berührten sich hier die Spitzen von hanaumünzenbergischen, hessenkasselschen, hennebergischen Länderteilen, und dazwischen eingestreut lagen Enklaven der fränkischen Reichsritterschaft.
So klein die Kette des Vogelsberges ist, so grenzten an und auf derselben doch die Marken von Hessen-Darmstadt, Fulda, Hersfeld, Isenburg, Solms-Lich, Solms-Laubach, Hanau-Münzenberg, Stolberg-Gedern und von reichsritterschaftlichem Gebiet. Von einer gemeinsamen Verwaltungspolitik des ganzen Gebirges konnte also nicht entfernt die Rede sein, fast jedes Tal lag ja für sich abgesperrt in dem Grenzwinkel eines andern Landes. Heutzutage stehen bayerische, hessische, weimarische und meiningische Marksteine auf der Rhön; doch ist wenigstens die überwiegend größere Masse zu Bayern gefallen.
Für den Kulturfortschritt der Gebirge sind jene alten politischen Zustände natürlich vom größten Nachteil gewesen. Sie vermochten aber nicht auseinanderzureißen, was die Einheit der Bodenbildung zu einem sozialen Ganzen verband. Die Gleichförmigkeit namentlich des Westerwaldes und Vogelsberges in den Berg- und Talformen, in der Pflanzenwelt, in der Anlage der menschlichen Siedlungen wirkte mächtiger, als die Buntscheckigkeit der willkürlichen politischen Grenzen. Dies ist ein sehr merkwürdiges Zeugnis für den zähen Zusammenhang von Land und Leuten. Weiterlesen

Das Land der armen Leute

„Ich begegnete einmal im Walde zwei Holzhauern, welche mit der dem gemeinen Manne eigenen Liebhaberei für allgemeine moralische Betrachtungen über ihre eigene Armut philosophierten. Der eine meinte, Armut sei ein böser Stand, der andre aber, nein, Armut sei der beste Stand und die armen Leute die besten Leute; denn wäre Armut nicht der beste Stand, so würde ihn Christus nicht vor allen andern sich erwählt haben und aus freien Stücken ein armer Mann geworden sein. Darauf erwiderte, der zuerst gesprochen: Eben darum, weil unser Herr Christus aus freien Stücken arm geworden, sei er gar kein rechter armer Mann gewesen, denn wer arm sein und bleiben wolle, der höre damit schon von selber auf, ‚arm’ zu sein; nur wer arm sei und reich werden wolle, ohne es zu können, der sei der rechte arme Mann.
Vervollständigt man die Theorie dieses Holzhauers, dann gibt es zweierlei Armut, die eigentlich nicht arm ist; die freiwillige und die naturnotwendige. Die letztere kann wiederum eine unbewußte sein wie bei ganz rohen Naturvölkern und Naturmenschen, oder eine bewußte, die sich aber in ihrer Naturnotwendigkeit erkennt oder ahnt. Mit diesen beiden Arten der gezwungenen und doch nicht armen Armut haben wir es hier zu tun.“

Mit diesen Sätzen beginnt Wilhelm Heinrich Riehl seine erwanderte Volkskunde: „Das Land der armen Leute“. Dieses fußt auf Erfahrungen seiner Wanderungen durch den Westerwald, den Vogelsberg und die Rhön und ist enthalten in dem mehrbändigen Werk „Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Socialpolitik“, das zwischen 1851-1869 erschienen ist. Ich werde die Passagen, die sich speziell auf seine Erlebnisse in der Rhön beziehen, nach und nach in diesem Weblog zitieren, da sie die Lebensverhältnisse in der damaligen Rhön sehr lebendig und selbst noch uns Heutigen nachfühlbar schildern. Weiterlesen

Herbst in der Rhön

Ein buntes Herbstgeflüster von Bildern der Rhön, teilweise unter Lebensgefahr auf den Speicherchip gepixelt. Im Dunkeln auf der Mini-Autobahn durch den Albagrund von Unteralba nach Hartschwinden zu laufen erfordert Todesmut, da man dort von mit Affenzahn langdüsenden Autos gnadenlos in die Büsche gedrängt wird, wenn man nicht riskieren will, als Hackfleisch zu enden.  Herrlich asphaltierte Wege … – schön und gut, sie ersparen festes Schuhwerk, doch Fußgängern bin ich auf diesen bequemen Wegen nicht begegnet, sondern stets nur Autofahrern, die immer in rasender Eile zu sein scheinen. Vielleicht haben sie ja höllische Angst, der schöne Fleck Erde, wo sie die Aussicht oder auch nur ein Stück Torte oder ein saftiges Steak genießen wollen, ist geschlossen, bevor sie dort ankommen – und rasen deshalb wie vom Teufel gejagt?

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Der Monte Kali

Die Rhön ist ja, wie wir wahrscheinlich alle wissen, vulkanischen Ursprungs. Das bedeutet, dass flüssige Gesteinsmasse aus dem Erdinneren an die Oberfläche drängt und dort mehr oder weniger kegelförmige „Hügel“ bis über 5000 Meter Höhe, wie z.B. den als Schiffshafen (Arche Noah) geeigneten Ararat (türkisch Büyük Ağrı Dağı,) im Osten der Türkei oder den mächtigen Baier mit 714 Metern Höhe, bildete. Weiterlesen

Das Kloster Mariengart

Kloster und Ort Mariengart haben zeitweise eine gemeinsame Geschichte mit Gehaus, verbunden durch die Herrschaft derer von Boyneburg. Daher soll über diese Geschichte hier berichtet werden. Es gibt eine sehr ausführliche Geschichte, niedergeschrieben von Pfarrer Büff aus Völkerhausen, die im Baierboten  durch den Heimatpflegeverein Gehaus e.V. veröffentlicht wurde. Sie ist aber einfach zu lang, um hier veröffentlicht zu werden, daher die Kurzfassung aus der gleichen Quelle im Schaukasten an der Kirchenruine.  Weiterlesen

Bilder von der Vereinsfahrt am 9. Oktober 2010

Endlich ist es wieder soweit! stand auf der Einladung zu einer interessanten und vergnüglichen Herbstreise des Heimatpflegevereins Gehaus e.V. in die Rhön, die Sven Schwarz hervorragend vorbereitet hatte.  Zunächst besuchten wir das Museumsdorf Fladungen in der fränkischen Rhön. Fladungen, den Gehausern mindestens seit der Wende ein Begriff, weil es im Bayrischen liegt und die Bayern uns vierzig harte Mark extra zu den einhundert DM  als Begrüßungsgeld schenkten. Weiterlesen

Hexenverfolgung

Zitiert aus Baier Bote 4(2006)13 vom 22. Dezember 2006:

Hexenverfolgung

Beleuchten wir heute einmal ein finsteres Kapitel der Geschichte und gehen wir kurz auf den Hexenwahn im Mittelalter ein. Wie bekannt, soll es bisherigen Forschungen zur Folge in Gehaus keine Hexenverbrennungen gegeben haben. In den Archiven deutet zumindest nichts darauf hin. Lediglich ein Fall, der unter der Rubrik Hexenprozesse im Staatsarchiv Marburg geführt wird, ist uns bisher heute bekannt. Seltsamerweise handelte es sich dabei bei dem Angeklagten um einen Mann. Dabei geht es nicht alleine um „Hexerei“, sondern um einen Totschlag bei einer Wirtshausschlägerei vom 24. Juni 1696. Man kann es sich aber nicht vorstellen, dass es dies hier nicht gegeben haben soll. Man kann nur vermuten, dass es auch in Gehaus zu derartigen Anschuldigungen gekommen ist, aber die Verfahren und spätere Verurteilungen in andere Orte, wie Stadtlengsfeld, gelegt wurden. Wir sind aber über Gehauser bisher nicht fündig geworden. Auch Flurbezeichnungen deuten nicht darauf hin, wie z. B. in anderen Orten (Hexenlinde, Hexenplatz usw.). Es liegen im Staatsarchiv Marburg für die nähere Umgebung unter den Akten derer von Boineburg folgende Prozessprotokolle vor:

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