Unser Bild von der Wirklichkeit

Betrachter vor einem Frauenporträt von Georges Braque spotteten, einer so entstellten Person würde niemand gern auf der Straße begegnen, worauf der Maler erwiderte, er habe keine Frau malen wollen, sondern ein Bild.
Im Grunde genommen ist das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und mathematischem Bild oder Modell das Gleiche: Letzteres ist auch nur ein Abbild einiger Eigenschaften wirklicher (oder gedachter) Objekte. Alles, was nicht relevant ist, bleibt dabei unberücksichtigt: zum Beispiel welcher Wochentag gerade ist oder dass Nebel über dem See steht. Modellbildung ist Willkür, Zweckmäßigkeit ihr einziger Sinn.

Pierre Basieux „Die Architektur der Mathematik: Denken in Strukturen

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Nationale Identität

Die Geschichte der Völker Europas ist nicht abgeschlossen – und wird es nie sein. Die Ethnogenese ist ebenso sehr ein Prozeß der Gegenwart und der Zukunft wie der Vergangenheit. Jeder Versuch von Romantikern, Politikern oder Sozialwissenschaftlern, die wahre Seele eines Volkes oder einer Nation ein für allemal zu »konservieren«, ist zum Scheitern verurteilt. Und nichts kann sicherstellen, daß Nationen, ethnische Gruppen und Gemeinwesen von heute in der Zukunft nicht vielleicht vollständig untergehen. Die Vergangenheit mag die Parameter gesetzt haben, innerhalb deren man die Zukunft gestalten kann, sie determiniert aber nicht, wie diese Zukunft aussehen wird. Ebenso wie die Völker Afrikas, Amerikas oder Asiens sind auch die Völker Europas keine atomaren Strukturen der Geschichte an sich, sondern Prozesse, die von der Geschichte geformt und umgeformt werden. Heraklit hatte recht: Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen. Jene Flüsse, die Völker sind, fließen weiter, aber die Gewässer der Vergangenheit sind nicht die der Gegenwart oder Zukunft. Europäer müssen den Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart anerkennen, wenn sie eine Zukunft gestalten wollen.

Patrick J. Gary „Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen.

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Germanen

Woher kommt dieses Wort? Viele Erklärungen hat es gegeben. Am einfachsten und vermutlich richtig wird es von „Germani“ = dem lateinischen Wort für Brüder hergeleitet. Die Waffenbrüderschaft männerbündischer Disziplin und Ekstase bei einzelnen Stammesverbänden, mit denen die Römer zunächst in Fühlung kamen, wird ihnen am meisten aufgefallen sein. Uns fällt auf, daß die germanischen Stämme gar keine größere Verbindung erstrebten, also auch kaum einen sammelnden Volksbegriff kennen konnten, und somit immer nur in kleinen Verbänden Brüderschaft hielten. Das Wort ist demnach eine rein lateinische Bildung ohne Entsprechung im Norden. Germanen hat es bei den Germanen nie gegeben.

Eric Graf Oxenstierna in „Die NordgermanenWeiterlesen

Tradition

Tradition – ein Schatz überindividueller kumulierter Erfahrung ist die Erbinformation der Kultur. Eine Kultur enthält ebensoviel „gewachsenes“, durch Selektion erworbenes Wissen, wie eine Tierart. Zerstörung gültiger Traditionen muss sich für eine Kultur deshalb genauso auswirken, wie die Zerstörung genetischer Information für eine Spezies.

Konrad Lorenz und Bernd Lötsch 1977, IWF Film G 188 Weiterlesen

Wahrheit

Wahrheit ist das, woran Menschen glauben.

[Anders Johansson in „Öland – Himmel und Erde“ im Kapitel „Bei der Kirche von Hulterstad“]

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Kollektive Kultur und individuelles Bewusstsein

Schlusskapitel  aus dem Buch Triumph des Bewusstseins: Die Evolution des menschlichen Geistes von Merlin Donald. Merlin Donalds brillantes Buch widerlegt die vorherrschenden Theorien derjenigen Naturwissenschaftler und Philosophen, die das menschliche Bewußtsein als Abfallprodukt der Evolution abtun. Für ihn sind es die Kultur und das neuronale System, die das menschliche Bewußtsein zu dem gemacht haben, was es ist. Genau dieser hybride Geist macht den evolutionären Vorsprung des Menschen aus.Die Fähigkeiten des Bewußtseins liefern den Schlüssel für die umwälzenden Entwicklungen, die der Mensch auf der Leiter der Evolution zurückgelegt hat.

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