Buxtehude: Choralfantasie BuxWV 210

„Nun freut euch, lieben Christen g’mein“

Diese Choralfantasie von Dieterich Buxtehude habe ich für Samples der Riegerorgel im Großen Saal des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ) registriert und eingespielt.

Die Hauptquelle: Eine Handschrift aus dem Nachlasse von Job. Ludwig Krebs mit Partiten und Choralbearbeitungen aus verschiedenen Zeiten. Die Handschrift bietet zwei Choralbearbeitungen von Buxtehude, die im Anfange des 18. Jahrhunderts niedergeschrieben sein dürften.
Mit der weit ausgesponnenen Choralphantasie »Nun freut euch lieben Christen g’mein« von nicht weniger als 258 Takten hat die norddeutsche Phantasieform ihre Höhepunkt erreicht und zu der Entwicklungsstufe vorgedrungen, die in älteren Perioden schrittweise vorbereitet worden war. Was die Länge betrifft hat sie ein Gegenstück in J. A. Reinkens beiden Phantasien »Was kann uns kommen an« und »An Wasserflüssen Babylon« mit 232 und 335 Takten.
Die zentrale Stellung des Chorals als formbildende Grundlage ist allmählich abgeschwächt worden. Die verschiedenen Teile, die ursprünglich von der Zeileneinteilung abhängig waren, machen sich mehr und mehr frei. Gewisse Zeilen, die einen reicheren Stoff zur Durcharbeitung boten, sind allseitiger behandelt und zu grösseren, selbständigen Sätzen im Rahmen der Phantasie ausgewachsen. Ein und dieselbe Choralzeile hat auch das Material zu mehreren Sätzen abgeben müssen, während andere Zeilen von geringerer thematischer Bedeutung zusammengefasst worden sind.
Zum Schluss ist die Entwicklung dahin gegangen, dass der Choral lediglich das thematische und motivische Material hergeben musste, auf dem dann in zyklischer Form eine Reihe von teilweise von den Choralzeilen unabhängigen Sätzen aufgebaut worden sind, die sowohl der Toccata-Variantenfuge als der Suite nahestehen.

zitiert aus dem Kommentar zur Ausgabe
Dietrich Buxtehude Sämtliche Orgelwerke
von JOSEF HEDAR


Die Choralfantasien Buxtehudes (er selbst hat diesen Begriff nicht verwendet) bestehen aus mehreren Sektionen, die jeweils eine Strophe des Textes mit Mitteln musikalischer Rhetorik (ähnlich wie in seinen Präludien, siehe hier) zu imitieren versuchen: jeder Vers wird in technisch und emotional kontrastierenden Abschnitten innerhalb einer Komposition separat entwickelt. Buxtehude legte Wert auf die richtige Worteinstellung, mit besonderem Augenmerk auf Betonung und Interpretation. Jeder Abschnitt bezieht sich eng auf den Text der entsprechenden Zeilen  (chromatische Abschnitte sollen Traurigkeit, Gigue und Fuge Freude ausdrücken, etc.). Beispiele hierfür sind die Fantasien auf die ChoräleGelobet seist du, Jesu Christ BuxWV 188,Nun freut euch, lieben Christen g’mein BuxWV 210,Nun lob, mein Seel, den Herren BuxWV 213 und Wie schön leuchtet der Morgenstern„, BuxWV 223.

Drum sei der Text des Luther-Chorals Nun freut euch, lieben Christen g’mein hier zitiert:

1. Nun freut euch, lieben Christen g’mein,
und lasst uns fröhlich springen,
dass wir getrost und all in ein
mit Lust und Liebe singen,
was Gott an uns gewendet hat
und seine süße Wundertat;
gar teu’r hat er’s erworben.2. Dem Teufel ich gefangen lag,
im Tod war ich verloren,
mein Sünd mich quälte Nacht und Tag,
darin ich war geboren.
Ich fiel auch immer tiefer drein,
es war kein Guts am Leben mein,
die Sünd hatt’ mich besessen.3. Mein guten Werk, die galten nicht,
es war mit ihn’ verdorben;
der frei Will hasste Gotts Gericht,
er war zum Gutn erstorben;
die Angst mich zu verzweifeln trieb,
dass nichts denn Sterben bei mir blieb,
zur Höllen musst ich sinken.4. Da jammert Gott in Ewigkeit
mein Elend übermaßen;
er dacht an sein Barmherzigkeit,
er wollt mir helfen lassen;
er wandt zu mir das Vaterherz,
es war bei ihm fürwahr kein Scherz,
er ließ’s sein Bestes kosten.5. Er sprach zu seinem lieben Sohn:
„Die Zeit ist hier zu erbarmen;
fahr hin, meins Herzens werte Kron,
und sei das Heil dem Armen
und hilf ihm aus der Sünden Not,
erwürg für ihn den bittern Tod
und lass ihn mit dir leben.“
6. Der Sohn dem Vater g’horsam ward,
er kam zu mir auf Erden
von einer Jungfrau rein und zart;
er sollt mein Bruder werden.
Gar heimlich führt er sein Gewalt,
er ging in meiner armen G’stalt,
den Teufel wollt er fangen.7. Er sprach zu mir: „Halt dich an mich,
es soll dir jetzt gelingen;
ich geb mich selber ganz für dich,
da will ich für dich ringen;
denn ich bin dein und du bist mein,
und wo ich bleib, da sollst du sein,
uns soll der Feind nicht scheiden.8. Vergießen wird er mir mein Blut,
dazu mein Leben rauben;
das leid ich alles dir zugut,
das halt mit festem Glauben.
Den Tod verschlingt das Leben mein,
mein Unschuld trägt die Sünde dein,
da bist du selig worden.9. Gen Himmel zu dem Vater mein
fahr ich von diesem Leben;
da will ich sein der Meister dein,
den Geist will ich dir geben,
der dich in Trübnis trösten soll
und lehren mich erkennen wohl
und in der Wahrheit leiten.10. Was ich getan hab und gelehrt,
das sollst du tun und lehren,
damit das Reich Gotts werd gemehrt
zu Lob und seinen Ehren;
und hüt dich vor der Menschen Satz,
davon verdirbt der edle Schatz:
das lass ich dir zur Letze.“

 Dass Video zeigt das  „Triptychon der Erlösung“ von Vrancke van der Stockt.

Diese Choralfantasie habe ich in einem älteren Video mit Samples der historischen Orgel in Forcalquier eingespielt. Ich empfehle zum Anhören wirklich gute Kopfhörer mit großem Dynamikumfang.

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