Kapellen und Kirchen im Allgemeinen

Was schimmert dort auf dem Berge so schön,
Wenn die Sternlein hoch am Himmel ausgeh’n?

Das ist die Kapelle, still und klein,
Sie ladet den Pilger zum Beten ein.

(Hegner).

Sollte das Christentum bleibenden Bestand haben, so mußte es durch gewisse Orte, bestimmte Gebäude und Einrichtungen gleichsam fest und stehend gemacht werden, also auch als äußere Erscheinung durch eine Art Verkörperung sich zeigen. Dies geschah durch den Bau von Kapellen, Kirchen und Klöstern. Kilian und Bonifatius haben auch fleißig Bedacht genommen, mindestens eine solcher Schutz- und Pflegestätten vor oder doch möglichst bald nach Gewinnung einer Gemeinde für das Evangelium, dieser auch sobald wie nur möglich beschaffen und einrichten zu helfen; mochte der Bau auch noch so bescheiden ausfallen. Zu besserer Förderung des Vorhabens mußten die Missionare freilich, wie überhaupt bei ihrem Bekehrungswerke, sich zunächst um die dazu unentbehrliche Erlaubnis und um erwünschte Unterstützung an die Mächtigen und Angesehenen im geplanten Missionsgebiete, nämlich an die Könige, Herzöge und Grafen wenden. Und das gelang, denn wie es eingangs des vorigen Abschnitts das Motto uns sagt, kein Herz war ihnen zu hart, kein Berg zu hoch; sie konnten diesen ersteigen und jenes auch erweichen.

K a p e l l e n.

Schon 726 soll Bonifatius in nächster Nähe des Tullifeldes, auf einem Berge zwischen Schweina und Steinbach, eine Kapelle erbauet haben. Auch bei Solz, zwischen dem Katz- und Herpfgrund, auf dem sogenannten Oelhügel, hat frühzeitig schon eine Kapelle gestanden; ebenso zwischen Gert- und Schafhausen eine auf dem „Clasberge“, und diese war dem „Sankt Nikolaus“ geweihet. Auch die Glocke, die der Sage nach auf dem Wallenberg zwischen Wohlmuth- und Helmershausen von einem Schwein ausgewählt wurde, und die jetzt noch in Helmershausen auf dem Turme hängen soll, läßt darauf schließen, daß ehedem auf besagtem Berge eine Kapelle stand. Bei der alten Stadt Vacha sind auf lichter Höhe noch heute Ueberreste der angeblich von Bonifatius errichteten Annen-Kapelle, die als Wallfahrtsort lange diente. Und wie bei Geismar in Hessen der furchtlose Winfried selbst zuerst die Axt an die „Donnereiche“ legte und dann von seinen Gehilfen aus dem Holze eine Kapelle zimmern ließ, so mag er Aehnliches anderswo gethan haben, wenn auch nicht immer an Eichen.

Das Wort „Kapell“ ist nach Sauers Meinung deutschen Ursprungs und mit den Worten „Kuppe, Kappe, Kopp, Kopf“ (Bergspitze) verwandt; es bedeutet ein kleines, heiliges, gewöhnlich auf einem Berge oder auf einer Bergkuppe erbautes Haus. Götzinger dagegen giebt an, daß der Name Kapelle von dem Mantel des „heiligen“ Martin von Tours, von „Cappa sancti Martini“ abgeleitet sei, also von einem Heiligtum der merowingisch-fränkischen Könige. Den Ort seiner Aufbewahrung nannte man bald auch Cappella; die Kapellane mußten die ,,Kappa“ hüten und in Krieg und Frieden den Königen nachtragen. – Die ältesten kleinen und größere alte Kirchen werden in den Urkunden und in andern Schriften des Mittelalters fast durchgängig nicht Kirchen, sondern Kapellen genannt.

Kirchen

zu bauen, waren die Missionare für sich nicht in der Lage, denn arm in der Tasche, wie überhaupt ärmlich in Kleidung, und Kost waren ja die Boten, ,,die den Frieden verkündigten«. Das Bedürfnis zu einem größern für Gottesdienst bestimmten Raum stellte sich aber auch nur erst mit dem sichtbaren Wachsen einer Christengemeinde in einer Cent heraus. War der Grund- oder Landesherr der neuen Lehre nicht geneigt, dann sah sich auch die Gemeinde genötigt, aus eigenen, natürlich kärglichen Mitteln den Kirchbau zu unternehmen. LetzternfalIs ging es freilich langsam nur vorwärts, oder das neue Gotteshaus bedurfte zu bald wieder großer Ausbesserungen, wenn es nicht frühzeitig dem ganzen Verfall preisgegeben sein sollte. Das billigste zur nächsten Hand liegende Material kam gewöhnlich bei dem ersten Aufbau zur Verwendung. So ist es ganz. begreiflich, daß die urältesten Kirchen, besonders auch die im damals noch so geldarmen und sonst gering begüterten Tullifeld längst verschwunden sind. Geschah der Kirchbau auf Betrieb des Fürsten, oder eines angesehenen Gaugrafen, einer wohlhabenden Stadtgemeinde, wie auch auf Veranlassung eines Bistums oder Klosters (zu Wallfahrtskirchen), so erstanden feste, große, meist kunstreiche Altarhallen, wohl auch Dom oder Münster genannt. Das waren die Haupt- oder Oberkirchen, gewöhnlich am Sitze eines Bischofs. Das Tullifeld hat einen solchen Prachtbau nie besessen, ohne am christlichen Zusammenhalt viel einzubüßen; aber nahe seiner westlichen Grenze, in Stadt Fulda steht wie schon erwähnt ein bescheidener Dom.

Die Mehrzahl alter tullifeldischer Kirchen, – soweit wir von solchen wissen, sind auf felsenfesten Höhen errichtet.

 „Ein Kirchlein steht im Blauen
Auf steiler Bergeshöh’,
Und mir wird beim Beschauen
Des Kirchleins wohl und weh!

Verödet steht es droben, ein Denkmal früh’rer Zeit,
Vom Morgenrot gewoben wird ihm sein Sonntagstleid.“

(W. Kilzer).

Man liebte es, die ersten Kirchen an die Stellen zu bauen, wo zuvor die Götter verehrt worden waren; so geschah es auch wohl vielfach im Tullifeld. – Hatten mehrere Orte einer Cent erst eine Kirche gemeinschaftlich, so nannte man dieselbe „Mutterkirche“, und jede weiter erbauete in einem der kirchlich verbunden gewesenen Ortschaften hieß dann ihre ,,Tochter- oder Filialkirche.“ Die von einem gemeinsam angestellten Prediger oder Pfarrer gepflegten Kirchgemeinden bildeten zusammen den Dienstsprengel des Geistlichen oder die Parochie, welche meist in den ersten Zeiten von größerm Umfang war, wie z. B. die Mutterkirche Meiningen, ein alter Kilianscher Missionsort, gegen 25 Filial-Gemeinden und darunter sogar einige Tullifelder Orte zählte. Im Tullifeld war von jeher und ist heute noch die Kirche Tann a. d. Rhön eine echte Mutterkirche, der 9 Dörfer und 16 Höfe als christl. Töchter-Gemeinden sich anschlossen; auch Fischbach a. d. Felda, ein alte Pfarrei, umfaßte bis in die Neuzeit die Mutter-Rechte und Pflichten von 5 Dörfern. Nach vereinbarten Sätzen hatten von jeher die zu einer Pfarrei gewiesenen Gemeinden ihren Geistlichen gemeinsam zu besolden, gemeinsam auch die Kirch’- und Pfarrhaus-Reparaturkosten aufzubringen, was gar mancher Einzelgemeinde kaum möglich war, so daß der „Kirchpatron“ oder die weltliche Herrschaft zu erklecklicher Beihülfe sich genötigt sah. Der Wohnsitz des Pfarrers wurde vom Volke auch ,,Pfarrhof“, der Sitz eines Bischofs aber ,,Herren-, Fron- oder großstädtisch ,,Domhof“ genannt. Der Kirch-Patron hatte die Patronatsrechte, d. h. zunächst das Vorrecht, den Geistlichen- und dessen Kirchgehilfen eigenmächtig zu berufen und auch zu entlassen; als Patron galt der jedesmalige Rittergutsbesitzer der betreffenden Ortschaft oder ein anderer wohlthätiger Erbauer bezw. Beschützer der Kirche, andernfalls die Kirchgemeinde selbst oder im Allgemeinen der Staat. Auch im Tullifeld gab’s ver- oder schiedene Patronate für die Einzelkirchen. Der Schutz-Patron, ,,Schutzheilige“ einer Kapelle oder Kirche aber war nach christl. Herkommen ein unsichtbarer, übermenschlich kräftiger Schirmherr für Kirchgebäude und Ortsgemeinde, angeblich einer von den Aposteln Christi, einer von den Glaubens-Märtyrern, ein verstorbener Papst oder eine beliebig erwählte ,,heiliggesprochene« Person. So gab’s denn nun z. B. Petri-, Kilian-, Bonifatius-, Gregorius-, Marien- oder Liebfrauen-, Gertruden-Kirchen; daneben findet man allgemein christliche Benennungen, als: Kreuzkirche, Dreifaltigkeitskirche, Heiliggeistkirche u. dergl. m. Alle Kapellen und Kirchen sollen aber einem ein und demselben Gotte dienen, und so wollen wir auch keiner der alten Tullifelder Kirchen einen Vorzug des Namens oder des Patrons wegen geben.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


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– nach Themen sortiert –


 

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